Der Erste Bank Social Designpreis wird 2024 zum 10. Mal vergeben
Die Stadtarbeit-Jury bestand in diesem Jahr aus Lena Rücker (MA18 – Stadtentwicklung und Stadtplanung), Julia Habarda und Tobias Kauer (membran, Preisträgerin und Preisträger des Erste Bank Social Designpreis 2023), Clemens Foschi (Caritas, Erzdiözese Wien), Ruth Goubran (Erste Bank) sowie Hanna Facchinelli und Gabriel Roland (VIENNA DESIGN WEEK).
Die Stadtarbeit Projekte 2024 führen mitten in den Dritten, wo gut frequentierte Standorte genauso wie neu zu entdeckende Ecken mittels Wanderküche und Urban-Legends-Performances erschlossen werden. Ergänzend zu den Schauplätzen im Fokusbezirk Landstraße lädt das Format zudem in ein bemerkenswertes Grätzl rund um den Hernalser Elterleinplatz, das das mikroklimatische Potenzial der Wiener Innenhöfe anschaulich macht. Auf ganz unterschiedliche Weise befassen sich die Interventionen »Kiosk T//Waste«, »An Urban Legend to Be« und »Wiener Klimahöfe« dabei mit den sozialen Herausforderungen des städtischen Zusammenlebens, analysieren urbane Räume und verbessern im gemeinsamen Tun von Gestalterinnen und Gestaltern und Festivalöffentlichkeit – im besten Fall – das Miteinander in der Stadt.
Jurybegründung
Die Stadtarbeit-Jury zeigt sich beeindruckt von der außergewöhnlichen Bandbreite, Kreativität und Umsetzungsstärke der im Rahmen des Festivalformats Stadtarbeit 2024 umgesetzten Social Design-Projekte. Jedes der ausgewählten Projekte nahm sich relevanter gesellschaftlicher Themen und urbaner Herausforderungen an, immer mit dem Ziel, während des Festivals einen direkten Austausch mit den Besucher*innen und Menschen vor Ort zu fördern und wichtige gesellschaftliche Fragestellungen im städtischen Kontext sichtbar zu machen.
Das Projekt Wiener Klimahöfe von Klara Jörg und Julian Raffetseder setzte Mittel der architektonischen Recherche im 17. Bezirk ein – relativ weit vom eigentlichen Fokusbezirk Landstraße entfernt – um viele bisher kaum zugängliche Innenhöfe zu öffnen. Während des Festivals initiierte das Projekt einen interaktiven, nachbarschaftlichen Diskurs über mögliche Nutzungen in den Höfen und ihren Beitrag zum Stadtklima. Die herzliche und präzis erarbeitete Öffnung dieser oft übersehenen, wenig genutzten und der Öffentlichkeit oft nicht zugänglichen Räume, hat neue Perspektiven geschaffen und zeigt auch das Potenzial zur Verbesserung des städtischen Mikroklimas – sowohl auf sozialer als auch auf ökologischer Ebene auf.
Mit seinen performativen Interventionen erzählte und begleitete das Projekt An Urban Legend to Be von Klee (Klub für Echtes und Erdachtes) faszinierende Stadtnarrative zwischen Fiktion und Realität, die während des Festivals die Straßen und Plätze des Fokusbezirks mit Geschichten verwob. Diese kreativen Inszenierungen begeisterten sowohl die Besucher*innen als auch die Jury. Ihre Methoden schärften auf immersive Art unsere Wahrnehmung und boten eine Neuentdeckung urbaner Identitäten an den unterschiedlichen Wachstumsfugen der Stadt rund um die Festivalzentrale der VIENNA DESIGN WEEK 2024. Klee schaffte es, Realität und Fiktion geschickt miteinander zu verweben und den Blick auf die Stadt um Unerwartetes zu erweitern.
T//Waste Kiosk von der niederländischen Gruppe T//Waste setzte sich mit dem Thema der Lebensmittelverwertung auf (system-)gastronomischer Ebene auseinander. An verschiedenen einschlägigen Hotspots im Bezirk Landstraße, wie dem Einkaufszentrum The Mall und dem Rochusmarkt, demonstrierte das Team während des Festivals auf ebenso eindrucksvolle wie zugängliche Weise, wie die sonst verborgenen Lebensmittelsysteme funktionieren, aber auch wie Lebensmittelverschwendung reduziert und was aus Resten gemacht werden kann. Das Projekt regte durch kreative Aktionen zu einem Dialog über Ressourcennutzung und Nachhaltigkeit an und sensibilisierte die Teilnehmer*innen der Workshops für das Potenzial von Wiederverwertung.
Besonders hervorzuheben ist außerdem, dass alle Projekte während des Festivals durch persönlichen Einsatz und den gezielten Einsatz von Social Design-Werkzeugen partizipative Plattformen geschaffen haben, die niederschwellige und inklusive Interaktionen emöglich machten. Die Bewohner*innen und Besucher*innen waren nicht nur als Zuschauer*innen, sondern als aktive Mitgestalter*innen in die Projekte eingebunden. Durch diese offenen Prozesse, bei denen keine vorgefertigten Lösungen präsentiert, sondern die Teams gemeinsam mit den Teilnehmer*innen neue Ansätze entwickelten, entstand ein intensiver Dialog zwischen der Bevölkerung, den Projektteams und der Stadt.
Die Jury lobt darüber hinaus das außerordentliche Engagement der Projektteams, die mit großer Offenheit und viel Eigeninitiative daran gearbeitet haben, ein aufregendes und vielfältiges Programm zu gestalten.
Mit großer Freude gratuliert die Jury allen Gewinner*innen zu ihren herausragenden Leistungen!
Die Erste Bank Social Designpreise werden mit 2.000 Euro an jedes Projektteam vergeben.
Die Siegerprojekte 2024
»Wiener Klimahöfe« – Mikroklimata als Chance für die Stadt
Mit dem Projekt »Wiener Klimahöfe« zeigt das Future Problems Architecture Studio, welches mikroklimatische Potenzial in den bestehenden Innenhöfen der Stadt steckt. Aus Anlass der VIENNA DESIGN WEEK lädt Future Problems Architecture Studio dazu ein, die Innenhöfe zwischen Geblergasse, Hernalser Hauptstraße, Weißgasse und Ortliebgasse in Form von geführten Spaziergängen, Gesprächen und Workshops zu erkunden. Das Themenspektrum reicht von der Dichte in der Stadt über Entsiegelung und Begrünung bis hin zur Nutzungsvielfalt im gemeinschaftlichen Raum.
Das Future Problems Architecture Studio, bestehend aus Julian Raffetseder und Klara Jörg, beschäftigt sich mit Fragen des Zusammenlebens, verbindet Strategien des zirkulären Bauens mit architektonischen Maßnahmen.
»An Urban Legend to Be« – Neue Perspektiven auf die Stadt
»An Urban Legend to Be« ist ein künstlerisches Forschungsprojekt des klub für echtes und erdachtes (klee). klee erkundet spielerisch und performativ neue Wege der Stadt- und Raumerforschung sowie die Potenziale von Fiktion als Verbindung zwischen Realitäten, Menschen und Zeitlichkeiten. Im Rahmen des Formats Stadtarbeit lädt das Team von klee dazu ein, ein aktiver Teil seiner Methoden zu werden und gemeinsam neue Narrative zu schaffen. Mit vier verschiedenen performativen Stadterkundungen und Story-Creation-Workshops im Fokusbezirk Landstraße bietet das Projekt Möglichkeiten zum gemeinsamen Erleben und Weiterdenken urbaner Mythen.
klee, der klub für echtes und erdachtes, arbeitet an der Schnittstelle von Stadtforschung und Interventionen im öffentlichen Raum. Auf humorvolle Art und mit selbstkritischem Zugang regen Luca Hierzenberger, Hannah Horn, Lukas Kobel und Hannah Leimberger, Studierende an der Universität für angewandte Kunst Wien, durch Irritation zur Teilhabe an und begeben sich in den Austausch mit Vorgefundenem.
»Kiosk T//Waste« – Lebensmittelpunkt: Küche
Die nomadische Intervention »Kiosk T//Waste« nutzt eine fahrbare Gastroeinheit, um gerettete Zutaten aus lokalen Betrieben zu vegetarischen Gerichten zu verarbeiten und so insbesondere für Themen der Lebensmittelverschwendung in Großküchen zu sensibilisieren. An wechselnden Standort im Fokusbezirk Landstraße und im angrenzenden Favoriten – von WIEN MITTE – The Mall über den Botanischen Garten der Universität Wien bis zum Kulturhaus Brotfabrik – lädt das Projekt »Kiosk T//Waste« die teilnehmende Öffentlichkeit dazu ein, den Begriff des Abfalls neu zu definieren. Die Begleitveranstaltungen reichen von Gesprächen bis hin zum Community Cooking der Caritas, wie Menüs entlang des Leaf-to-Root-Prinzips – also ohne Rückstände und Abfall – zubereitet werden können.
Das Kollektiv T//Waste mit Sitz in den Niederlanden und Österreich arbeitet an der Schnittstelle von Social Design, nachhaltigen Lebensmittelsystemen und Community Building. Der Tätigkeit des sechsköpfigen Teams liegt die Überzeugung zugrunde, dass sich Lebensmittel als Werkzeug für die Auseinandersetzung mit Kulturen, sozialen Gruppen und Sprachen eignen.