MehrWERT-Filmpreis 2022

© Viennale

Zum 12. Mal wird heuer, der von der Erste Bank initiierte und gestiftete Filmpreis in Zusammenarbeit mit der Viennale, dem Deutschen Haus at NYU und dem Anthology Film Archives vergeben.

Der MehrWERT-Filmpreis wird unter den österreichischen Filmproduktionen, die im Programm der Viennale laufen, über eine unabhängige Jury vergeben. Der MehrWERT-Filmpreis ermöglicht einen Aufenthalt in New York City  einschließlich einer Werkpräsentation im Anthology Film Archives.
 

Jury 
Silvia Bohrn, Kulturmanagerin
Boris Manner, Philosoph, Kurator
Jed Rapfogel, Filmprogrammer Anthology Film Archives 
moderiert von Ruth Goubran, Erste Bank
 

Jurybegründung

Die Jury des MehrWERT-Filmpreises hat beschlossen, den Preis zwei Kurzfilmen zu widmen, die zwei der wichtigsten und grundlegendsten Bereiche menschlicher Erfahrung zum Thema haben: Sex und Tod.

DerMehrWERT-Filmpreis geht an Eve Heller für SINGING IN OBLIVION.

Eve Hellers Kurzfilm SINGING IN OBLIVION verwendet eine Vielzahl von Techniken - Beobachtungsfotografie, gefundene Bilder, Fotogramme und ein reichhaltiges Sounddesign, um eine Meditation über Tod, Erinnerung und Vergänglichkeit zu beschwören. Im Mittelpunkt steht der Jüdische Friedhof in Wien Währing, der von den Nazis teilweise zerstört wurde und heute dem Verfall preisgegeben ist. Heller kombiniert ihre eigenen geisterhaften Aufnahmen des Friedhofs mit Fotogrammen von organischen Materialien und fragmentarischen Bildern, die sie von Glasnegativen gedruckt hat, die sie auf einem Flohmarkt entdeckt hat. Der Film selbst wird zu einer Art Fotogramm: ein physisches Objekt, auf dem das entschwundene Leben seinen Abdruck hinterlassen hat und das so gleichermaßen von Präsenz und Abwesenheit spricht.

Der MehrWERT-Filmpreis geht an Jan Soldat für BLIND DATE.

Obwohl Jan Soldats BLIND DATE in fast jeder Hinsicht ein völlig anderer Film ist als Eve Hellers SINGING IN OBLIVION, geht es auch hier um die Beziehung zwischen den immateriellen Aspekten menschlicher Erfahrung und ihren physischen Manifestationen, in diesem Fall um das Begehren und den Körper. In Zusammenarbeit mit seinen Protagonisten entmystifiziert Jan Soldat den sexuellen Akt und lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was die meisten anderen Filme zu diesem Thema ausblenden: die zutiefst menschliche Mischung aus Unbeholfenheit, Verletzlichkeit, sozialem Protokoll und zögerlicher Annäherung, die den Geschlechtsverkehr umrahmt. BLIND DATE ist Teil einer Reihe, in der Jan Soldat ein kaleidoskopisches Porträt erotischer Praktiken präsentiert. Radikal ist BLIND DATE nicht wegen seiner freimütigen Darstellung von Sex, sondern wegen seiner unbefangenen, unsentimentalen, aber einfühlsamen Neugier auf die Erfahrung zweier Individuen, die sich zur Befriedigung ihrer körperlichen Begierden zusammenfinden.