Kompositionspreisträger 2012: Beat Furrer

Mit Beat Furrer (* 1954) erhält einer der profiliertesten und prominentesten zeitgenössischen Komponisten den Erste Bank Kompositionspreis 2012. Furrers Musik führt in das Innere des Klanges, vermittelt auf subtile und zwingende Weise zwischen gegensätzlichen Sphären und ist von eminenter Dramatik. Sein neues Werk für Bassflöte und Kontrabass wird am 3.November 2012 von Eva Furrer und Uli Fussenegger bei einem Porträtkonzert im Rahmen des Festivals WIEN MODERN uraufgeführt.

Porträt Beat Furrer

Er ist einer der wichtigsten Musikdramatiker der heutigen Zeit und ein großer Erzähler: Allerdings sind bei Beat Furrer, der zu den derzeit gefragtesten Komponisten überhaupt gehört, sowohl der Begriff des Dramas als auch der des Erzählens nicht gerade im landläufigen Sinn zu verstehen. Sein besonderer Ansatz lässt sich am besten durch zwei seiner eigenen Äußerungen erklären: „Jedes Verklingen eines Tones ist bereits ein Drama für sich“, hat Beat Furrer einmal formuliert. Das heißt nichts anderes, als dass sich das Dramatische bei ihm keineswegs auf heftige Ausbrüche und spannungsgeladene Steigerungen beschränkt – obwohl es das in seiner Musik beides auch gibt.

Doch zumindest ebenso wichtig ist in Furrers Ästhetik die Spannung des Leisen, die innere Gestaltung des Klanges und die dortigen mikroskopischen Veränderungen, die der Komponist subtil und mit zwingender Wirkung nach außen kehrt. Das Verklingen eines Tones braucht seine Zeit und führt in die Stille. Und die erhält bei Furrer ebenfalls ein eigenes Recht, ebenso wie das Verharren, das Innehalten und das Erstarren. In diesem ästhetischen Koordinatensystem spielt sich Furrers musikdramatisches Schaffen ab. Der Komponist selbst begreift dieses durchaus als „Erzählen“, wozu er aber einmal in einem Gespräch über sein Musiktheater „Begehren“ einschränkend gemeint hat: „Es geht mir mehr um das Finden von theatralischen Figuren, die ich in meiner Vorstellung in die Gegenwart geholt habe, und um die Frage, wer sie eigentlich sein könnten.“

Es geht bei ihm somit nicht um die Erzählung einer linearen Handlung, sondern vielmehr um Fragen der Identität von Gestalten, die Furrer häufig auf Basis antiker Texte (er)findet, sich ihnen jedoch immer aus einer zeitgenössischen Perspektive annähert. Seine Arbeiten für das Musiktheater (bislang „Die Blinden“, „Narcissus“, „Begehren“, „Invocation“, „Fama“ und „Wüstenbuch“) lassen sich von Furrers konzertanter Musik nicht isoliert betrachten. Schon durch den Entstehungsprozess sind die beiden Bereiche eng miteinander verbunden, zumal der Komponist sein Schaffen als permanenten Prozess des Weiterarbeitens versteht und so des Öfteren Elemente bestehender Kompositionen in anderen weiterleben.

Eine noch größere Bedeutung hat allerdings eine gemeinsame Ästhetik der beiden Bereiche, die in Furrers Werken für den Konzertsaal eine ebenso große Rolle spielt wie für sein Musiktheater: Stets versucht der Komponist, das „Sprechende“ bei den Instrumenten ebenso stark hervorzuheben, wie er den Klang der Stimme um die Ebene des Geräuschs erweitert. Dadurch entstehen auf einer weiteren Ebene Berührungspunkte zwischen verschiedenen Sphären. Verbunden sind sie unter anderem durch die Konzentration auf den musikalischen Raum, der bei Furrer häufig mitkomponiert erscheint, wenn manches wie aus großer Ferne erklingt, manches wieder höchste Präsenz und Unmittelbarkeit ausstrahlt: Furrers Musik führt ebenso in das Innere des Klanges wie in das Innere der menschlichen Existenz.


Text: Daniel Ender

Kompositionspreisträger 2012: Beat Furrer

Mit Beat Furrer (* 1954) erhält einer der profiliertesten und prominentesten zeitgenössischen Komponisten den Erste Bank Kompositionspreis 2012. Furrers Musik führt in das Innere des Klanges, vermittelt auf subtile und zwingende Weise zwischen gegensätzlichen Sphären und ist von eminenter Dramatik. Sein neues Werk für Bassflöte und Kontrabass wird am 3.November 2012 von Eva Furrer und Uli Fussenegger bei einem Porträtkonzert im Rahmen des Festivals WIEN MODERN uraufgeführt.

Porträt Beat Furrer

Er ist einer der wichtigsten Musikdramatiker der heutigen Zeit und ein großer Erzähler: Allerdings sind bei Beat Furrer, der zu den derzeit gefragtesten Komponisten überhaupt gehört, sowohl der Begriff des Dramas als auch der des Erzählens nicht gerade im landläufigen Sinn zu verstehen. Sein besonderer Ansatz lässt sich am besten durch zwei seiner eigenen Äußerungen erklären: „Jedes Verklingen eines Tones ist bereits ein Drama für sich“, hat Beat Furrer einmal formuliert. Das heißt nichts anderes, als dass sich das Dramatische bei ihm keineswegs auf heftige Ausbrüche und spannungsgeladene Steigerungen beschränkt – obwohl es das in seiner Musik beides auch gibt.

Doch zumindest ebenso wichtig ist in Furrers Ästhetik die Spannung des Leisen, die innere Gestaltung des Klanges und die dortigen mikroskopischen Veränderungen, die der Komponist subtil und mit zwingender Wirkung nach außen kehrt. Das Verklingen eines Tones braucht seine Zeit und führt in die Stille. Und die erhält bei Furrer ebenfalls ein eigenes Recht, ebenso wie das Verharren, das Innehalten und das Erstarren. In diesem ästhetischen Koordinatensystem spielt sich Furrers musikdramatisches Schaffen ab. Der Komponist selbst begreift dieses durchaus als „Erzählen“, wozu er aber einmal in einem Gespräch über sein Musiktheater „Begehren“ einschränkend gemeint hat: „Es geht mir mehr um das Finden von theatralischen Figuren, die ich in meiner Vorstellung in die Gegenwart geholt habe, und um die Frage, wer sie eigentlich sein könnten.“

Es geht bei ihm somit nicht um die Erzählung einer linearen Handlung, sondern vielmehr um Fragen der Identität von Gestalten, die Furrer häufig auf Basis antiker Texte (er)findet, sich ihnen jedoch immer aus einer zeitgenössischen Perspektive annähert. Seine Arbeiten für das Musiktheater (bislang „Die Blinden“, „Narcissus“, „Begehren“, „Invocation“, „Fama“ und „Wüstenbuch“) lassen sich von Furrers konzertanter Musik nicht isoliert betrachten. Schon durch den Entstehungsprozess sind die beiden Bereiche eng miteinander verbunden, zumal der Komponist sein Schaffen als permanenten Prozess des Weiterarbeitens versteht und so des Öfteren Elemente bestehender Kompositionen in anderen weiterleben.

Eine noch größere Bedeutung hat allerdings eine gemeinsame Ästhetik der beiden Bereiche, die in Furrers Werken für den Konzertsaal eine ebenso große Rolle spielt wie für sein Musiktheater: Stets versucht der Komponist, das „Sprechende“ bei den Instrumenten ebenso stark hervorzuheben, wie er den Klang der Stimme um die Ebene des Geräuschs erweitert. Dadurch entstehen auf einer weiteren Ebene Berührungspunkte zwischen verschiedenen Sphären. Verbunden sind sie unter anderem durch die Konzentration auf den musikalischen Raum, der bei Furrer häufig mitkomponiert erscheint, wenn manches wie aus großer Ferne erklingt, manches wieder höchste Präsenz und Unmittelbarkeit ausstrahlt: Furrers Musik führt ebenso in das Innere des Klanges wie in das Innere der menschlichen Existenz.


Text: Daniel Ender

Zum Werk

Es gibt zwar etliche meisterhafte Orchesterwerke und andere groß besetzte, dichte Partituren von Beat Furrer. Und doch besteht seine Kunst unter anderem auch darin, mit kleinsten Besetzungen eine nicht weniger große Dichte zu erlangen. Und so gibt es von ihm neben Solostücken und anderer Kammermusik eine Reihe von Duos, die einen ganz besonderen Aspekt von Furrers Ästhetik repräsentieren: Hier verfolgt der Komponist das Prinzip des Dialogs, häufig im Sinne des (miteinander) Sprechens, aber auch im negativen Sinn des Scheiterns von Kommunikation. Außerdem beschäftigt er sich in besonderem Maße mit musikalischen Ideen des Echos oder der Annäherung gegensätzlicher Positionen.  

Besonders spannend wird dies, wenn es sich um sehr unterschiedliche Besetzungen handelt. In letzter Zeit entstand beispielsweise ein Stück für Stimme und Kontrabass („Lotófagos“), und gerne greift der Komponist auch auf Instrumente aus verschiedenen Familien in extremer Lage zurück, wobei er gerade bei sehr tiefen Instrumenten ungewöhnliche Aspekte zutage fördert und diesen etwa oszillierende Geräuschklänge und Obertöne im hohen Frequenzbereich abringt.

Das neue Werk für Bassflöte und Kontrabass, das Eva Furrer und Uli Fussenegger bei einem Porträtkonzert im Rahmen des Festivals WIEN MODERN am 3. November 2012 uraufführen, ist eine Vorstudie zu einem gerade entstehenden neuen Musiktheaterwerk und dürfte einige der genannten roten Fäden in Furrers Schaffen wieder aufnehmen und sie in anderer Weise weiterspinnen.

Zum Werk

Es gibt zwar etliche meisterhafte Orchesterwerke und andere groß besetzte, dichte Partituren von Beat Furrer. Und doch besteht seine Kunst unter anderem auch darin, mit kleinsten Besetzungen eine nicht weniger große Dichte zu erlangen. Und so gibt es von ihm neben Solostücken und anderer Kammermusik eine Reihe von Duos, die einen ganz besonderen Aspekt von Furrers Ästhetik repräsentieren: Hier verfolgt der Komponist das Prinzip des Dialogs, häufig im Sinne des (miteinander) Sprechens, aber auch im negativen Sinn des Scheiterns von Kommunikation. Außerdem beschäftigt er sich in besonderem Maße mit musikalischen Ideen des Echos oder der Annäherung gegensätzlicher Positionen.  

Besonders spannend wird dies, wenn es sich um sehr unterschiedliche Besetzungen handelt. In letzter Zeit entstand beispielsweise ein Stück für Stimme und Kontrabass („Lotófagos“), und gerne greift der Komponist auch auf Instrumente aus verschiedenen Familien in extremer Lage zurück, wobei er gerade bei sehr tiefen Instrumenten ungewöhnliche Aspekte zutage fördert und diesen etwa oszillierende Geräuschklänge und Obertöne im hohen Frequenzbereich abringt.

Das neue Werk für Bassflöte und Kontrabass, das Eva Furrer und Uli Fussenegger bei einem Porträtkonzert im Rahmen des Festivals WIEN MODERN am 3. November 2012 uraufführen, ist eine Vorstudie zu einem gerade entstehenden neuen Musiktheaterwerk und dürfte einige der genannten roten Fäden in Furrers Schaffen wieder aufnehmen und sie in anderer Weise weiterspinnen.